„Von den Konjunkturindikatoren weltweit kommen derzeit positive Signale“, erklärt Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer mit Blick auf die Frühjahrs-Konjunkturprognose 2017 des Bankenverbandes. „Doch wir dürfen uns nichts vormachen: Die ohnehin schon hohen Risiken für die Weltwirtschaft sind in den letzten Monaten weiter gestiegen. Vor allem der weltweit wachsende Nationalismus sowie die zunehmenden protektionistischen Tendenzen könnten eskalieren und dann die Weltwirtschaft empfindlich beeinträchtigen.“
Dr. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstands, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Für Deutschland prognostizieren die Chefvolkswirte der privaten Banken in ihrer Gemeinschaftsprognose in diesem wie im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum, dessen jährliche Grunddynamik mit etwa 1,7 Prozent mehr oder weniger auf dem Niveau der vergangenen beiden Jahre liegen wird. Kemmer: „Deutschland bleibt damit konjunkturell auf Autopilot.“
Wirtschaftspolitisch sei es nun wichtig, gemeinsam mit anderen Handelsnationen entschieden auf die Nachteile einer protektionistischen Politik hinzuweisen. „Internationaler Handel ist kein Nullsummenspiel. Wer glaubt, mit politischem Druck Vorteile für das eigene Land auf Kosten der Handelspartner erzielen zu können, wird damit früher oder später scheitern. Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme lassen sich nicht rückwärtsgewandt lösen“, so Kemmer.
Große kommunikative Herausforderungen sieht der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Die außerordentlich starken geldpolitischen Impulse der EZB seien angesichts des Wirtschaftswachstums und der Preisperspektiven nicht mehr nötig. Kemmer: „Das gilt erst recht, da von der ultra-expansiven Geldpolitik kaum noch positive Konjunktureffekte zu erwarten sind und die Risiken und Nebenwirkungen deutlich zunehmen.“ Der Gefahr, dass eine weniger expansive Geldpolitik zu einer Überreaktion bei den Kapitalmarktzinsen führt, sollte die EZB mit einer gut vorbereiteten und überzeugenden Kommunikationsstrategie begegnen. „Wird die Ausstiegsdebatte von der EZB hingegen weiterhin zum Tabu erklärt, wächst das Risiko, dass die Kapitalmarktzinsen in einigen Monaten erst recht kräftig steigen“, bekräftigt Kemmer.
Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik in Deutschland äußern sich die privaten Banken skeptisch zu den jüngsten Vorschlägen, die Reformen der Agenda 2010 weiter zurückdrehen zu wollen. So sei eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nicht dazu geeignet, die inzwischen auch hierzulande entbrannte Debatte um vermeintliche Globalisierungsverlierer und unerwünschte Verteilungsergebnisse zu entschärfen. Gerade ein längerer Arbeitslosengeldbezug für ältere Menschen könnte zu einer Art Frühverrentungsprogramm werden, das für die Beitragszahler sehr teuer wäre und den Fachkräftemangel der Unternehmen vergrößern würde.
Die besonders großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen liegen laut Kemmer in Deutschland vor allem auf zwei Feldern: „Erstens gilt es, die Investitionstätigkeit in Deutschland nachhaltig zu stärken, und zweitens die inzwischen auch von mehreren internationalen Institutionen kritisierte Unwucht bei der Chancengleichheit in Deutschland anzugehen. Wer das verbessern will, muss den Fokus eindeutig auf die Bildung legen.“ Gerade in dem nun beginnenden Bundestags-Wahlkampf seien die politischen Parteien aufgerufen, Lösungsvorschläge für diese Herausforderungen zu präsentieren und bei den Wähler um ihren jeweiligen Ansatz zu werben.
Die aktuelle Frühjahrskonjunkturprognose 2017 ist online abrufbar unter: www.bankenverband.de/konjunkturprognose. Sie wird alle sechs Monate durchgeführt und beruht auf einer Umfrage unter den 14 Chefvolkswirten von privaten Banken, die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungspolitik sind.
Mitglieder sind:
Carsten Klude, Chefvolkswirt, M.M.Warburg & CO KGaA, Hamburg, Ausschussvorsitzender.
Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt & Leiter Anlagestrategie, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA.
Dr. Marco Bargel, Chefvolkswirt, Deutsche Postbank AG.
Dr. Elga Bartsch, Chefvolkswirtin Europa, Morgan Stanley UK Group.
Dr. Klaus Bauknecht, Chefvolkswirt, IKB Deutsche Industriebank AG.
Dr. Jan Bottermann, Chefvolkswirt, NATIONAL-BANK AG.
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt, ING-DiBa AG.
Dr. Felix Hüfner, Chefvolkswirt Deutschland, UBS Deutschland AG.
Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, Commerzbank AG.
Dr. Martin Moryson, Chefvolkwirt, Sal. Oppenheim jr. & Cie, AG & Co., KGaA.
Dr. Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland, UniCredit Bank AG.
Stefan Schilbe, Chefvolkswirt, HSBC Trinkaus & Burkhardt AG.
Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG.
Stefan Schneider, Chief German Economist, Head of Strategic Research, Deutsche Bank AG.
Geschäftsführung:
Dr. Christian Ossig, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bankenverband.
Dr. Siegfried Utzig, kommissarischer Leiter Wirtschaftspolitik und internationale Beziehungen, Bankenverband. www.bdb.de
Bundesverband deutscher Banken e.V., Pressekontakt: Dr. K. Altendorf
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.